Anwerbung
Menschenhändler haben es leicht, Frauen mit falschen Versprechungen
nach Deutschland in die Prostitution zu bringen.
Die Frauen haben zu Hause keine Perspektive und leben in großer Armut.
Manche Frauen werden bei der Anwerbung über die tatsächliche Tätigkeit in
Deutschland getäuscht. Ihnen wird beispielsweise eine Beschäftigung im
Hotel- und Gaststättengewerbe versprochen. Andere Frauen wissen, dass
sie als Prostituierte arbeiten werden, sehen jedoch in ihrer ausweglosen
Situation keine Alternative.
Beiden Opfergruppen ist gemeinsam, dass sie über die realen
Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten, Einkommen, Praktiken und ihre Rechte
in Deutschland getäuscht werden.
Verführt durch scheinbar nette, vertrauenswürdige Männer und manchmal auch Frauen, die wunderbare
Versprechungen machen, glauben viele an das ganz große Glück. Nicht
selten verlieben sie sich in männliche Anwerber und folgen ihnen
vertrauensvoll.
Die Geschichte von Ronja aus Ungarn, 18 Jahre
Ronja ist in einem kleinen Dorf im Osten von Ungarn aufgewachsen. Ihre
Eltern sind sehr arm. Nachdem der Vater arbeitslos wird und zu trinken
anfängt, bleibt nur noch der geringe Verdienst der Mutter für die
Familie. Ronja ist neben vier Geschwistern die Älteste. Sie hat nur ein paar
Jahre die Schule besucht und findet keine Arbeitsstelle. Sie ist frustriert
und wünscht sich, eine bessere Zukunft.
In einer Disco wird Ronja von einer vertrauten Freundin für einen
vermeintlich tollen Job in Deutschland angesprochen. Sie sagt ihr, dass sie
von einem guten Bekannten namens Attila nach Deutschland gebracht werden
könne.
Attila ist sehr attraktiv. Ronja verliebt sich und glaubt ihm alles.
Er spricht vom schönen Leben in Deutschland. Sie könne in einer Bar
arbeiten, sie würden zusammen viel Geld verdienen und könnten schöne
Reisen machen.
In Deutschland angekommen, erklärt Attila, dass sie als Prostituierte
arbeiten muss. Ronja wehrt sich zunächst. Sie weint, sie ist verzweifelt und
würde am liebsten zurück fahren. Attila versucht sie mit bunten
Versprechungen zu überzeugen. Als Ronja sich weiter weigert, wird er
aggressiv. Sie ist gefangen in einer emotionalen Abhängigkeit zu
Attila. Ronja liebt ihn und will alles für ihn tun, schließlich willigt sie
ein. Ein Trost für sie ist der Traum von dem vielen Geld, das sie angeblich
verdienen soll und den Vorstellungen von einem schönen Leben mit Attila.
Zusammen mit anderen jungen Frauen wird sie in einen großen exklusiven Club
gebracht, in dem die meisten Kunden wohlhabende Geschäftsleute und
Familienväter sind. Anfangs fällt es Ronja sehr schwer, im Bar- und
Wellnessbereich des Clubs nackt zu sein und die Männer dazu zu animieren,
mit ihr aufs Zimmer zu gehen. Sie passt sich mit der Zeit an, stumpft aber
gleichzeitig innerlich ab. Sie fängt an, sich mit Alkohol zu betäuben.
Manchmal trifft sie im Club Männer, zu denen sie Vertrauen fassen kann.
Häufig aber ekelt sie sich vor den Freiern, wenn diese
ordinär, brutal oder betrunken sind, besonders dann, wenn Männer Oralsex
ohne Kondom verlangen. Sie kann sich gegen solche Forderungen nicht wehren,
weil sie Angst vor den Clubbetreibern hat, und weil sie zu wenig Deutsch
spricht. Einmal beschwert sie sich bei Attila, er wird wütend und
droht ihr.
Trotzdem ist Ronja beeindruckt, wenn Attila ihr die „Zuckerseiten“ des
Lebens zeigt und liebt ihren „Prinzen“. Sie hat Vertrauen zu ihm und glaubt
ihm, dass sie seine einzige Geliebte sei. Später muss sie erkennen, dass
Attila mit anderen Frauen das gleiche Spiel treibt.
Die Situation spitzt sich zu, als ihr Attila von dem verdienten Geld
nicht den versprochen Anteil überlässt, den
sie den Eltern nach Hause schicken will. Nun protestiert
sie hartnäckig, er schlägt sie wütend auf den Kopf, sie fällt zu Boden. Sie
hat tagelang Kopfschmerzen und Sehstörungen. Schließlich hat sie den Mut,
sich einem Freier, den sie schon mehrmals bedient hat, anzuvertrauen. Dieser
informiert FIM über die Hotline. Die Polizei kann Ronja befreien, sie
macht umfangreiche Aussagen.
Selbst als die Polizei Attila festnimmt und fast Hunderttausend Euro
beschlagnahmt, zeigt Ronja immer noch ein ambivalentes Verhalten zu
ihm. Es fällt ihr schwer, ihr Recht wahrzunehmen und das ihr zustehende
Geld, den Verdienst für ein Jahr, mit Hilfe einer Rechtsanwältin
einzufordern. Attila wurde in einem Strafverfahren zu 4 Jahren Haft verurteilt.